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Angewandte Kriminologie

Das Anliegen der Angewandten Kriminologie ist es, erfahrungswissenschaftlich fundierte Erkenntnisse der kriminologischen Forschung für die Praxis und für die Beurteilung des konkreten Einzelfalles unmittelbar nutzbar zu machen. Aufbauend auf den Erkenntnissen der Tübinger Jungtäter-Vergleichsuntersuchung und auf der Erfahrung aus einer Vielzahl forensisch-psychiatrischer bzw. kriminalprognostischer Gutachten für die Strafrechtspraxis wurde bereits in den 70er Jahren von Göppinger eine spezifische kriminologische Methode zur differenzierten Erfassung des individuellen Täters in seinen sozialen Bezügen entwikelt. Nach jahrelanger Erprobung dieser Methode bei der Beurteilung von Straftätern, einer ständigen Verbesserung im Sinne einer möglichst einfachen Handhabung sowie der Überprüfung ihrer Zuverlässigkeit und Gültigkeit bei der Anwendung durch verschiedene Untersucher wurde diese Vorgehensweise schließlich Mitte der 80er Jahre als Methode der idealtypisch-vergleichenden Einzelfallanalyse einem breiteren Publikum vorgestellt.

Mit ihr bekommt der Praktiker ein Hilfsmittel an die Hand, mit dem er in Alltagsfällen aufgrund eigener Sachkompetenz und ohne psychologische oder psychiatrische Fachkenntnisse den Einzelfall, also den individuellen "Täter in seinen sozialen Bezügen" , kriminologisch erfassen und beurteilen kann. Auf diese Weise vermag er sich die Grundlagen zu schaffen für eine sinnvolle Auswahl und gezielte Anwendung der im Einzelfall aus spezialpräventiver Sicht angezeigten Maßnahmen, etwa in Form von Sanktionen mit ihren vielfältigen Ahndungs- und Beeinflussungsmöglichkeiten, aber auch in Form von sonstigen Interventionen prophylaktischer und im weitesten Sinne auch therapeutischer Art. Angesprochen ist dabei der Jurist ebenso wie der Sozialarbeiter und der sonstige in der Strafrechtspflege oder auch in der Jugendhilfe und allgemeinen Wohlfahrtspflege tätige Personenkreis.

Dem Instrumentarium liegt die Erkenntnis zugrunde, daß der Lebensstil und bestimmte Aspekte des Sozialverhaltens eine Aussage über den Stellenwert der Delinquenz im Leben des betreffenden Menschen und zugleich, im Rahmen der natürlich generell begrenzten Möglichkeiten zur Vorhersage menschlichen Verhaltens überhaupt, eine prognostische Einschätzung der Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten erlauben. Zu den (letzten) Ursachen dieses Lebenszuschnitts und der Delinquenz an sich kann und soll dabei bewußt nicht Stellung genommen werden. Trotz dieser Beschränkung der Aussage reicht nämlich eine solche Einschätzung eines Menschen für die Zwecke der Strafrechtspraxis völlig aus.

Die derzeitigen Bestrebungen zielen auf eine weitere Differenzierung dieses Instrumentariums, beispielsweise im Hinblick auf (reine) Gewalttäter, Betrüger, Sexualstraftäter usw.


Kontakt

Hans-Jürgen Kerner
Tel. 07071-297 2931
E-Mail: hans-juergen.kerner@uni-tuebingen.de(hans-juergen.kerner@uni-tuebingen.de)

Veröffentlichungen

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Institut für Kriminologie - Stand 7. Februar 1996 - ifk@uni-tuebingen.de(ifk@uni-tuebingen.de)